Fünf Mythen über Digital Out-Of-Home

Ganz klar: Wer mobile Zielgruppen im öffentlichen Raum wirksam ansprechen will, kommt an Digital Out-Of-Home (DOOH) kaum mehr vorbei. Klingt ja auch alles großartig: Bewegtbild und Interaktivität sind bei diesem Medium grundsätzlich ebenso möglich wie die programmatische Platzierung von Werbebotschaften. Die Werbekunden jedenfalls lieben DOOH. Doch bei aller Euphorie: Im Markt kursieren einige hartnäckige Missverständnisse zu den digitalen Werbeträgern, ihren Möglichkeiten und ihren Wirkungshebeln. Christian Kaeßmann, Chef der Mediaagentur PLAN und Mitglied im Beirat des DMI Digital Media Instituts, benennt die fünf häufigsten Mythen. Eine Aufklärung für alle DOOH-Fans.

Mythos Nr. 1: DOOH kann personenindividuelle Botschaften ausspielen

Wir alle haben schon diese Cases gesehen, in denen eine Werbefläche mit dem Betrachter und dessen Handzeichen oder Bewegungen interagiert oder ihn als Mann oder Frau erkennt und dementsprechend eine Botschaft ausspielt (siehe auch „Minority Report“, Hollywood-Produktion mit Tom Cruise von 2002). Und ja, diese Flächen gibt es. Jedoch nicht mit medialer Kommunikationsrelevanz. Zum einen ist der Einbau von Kameras im öffentlichen Raum nur unter Berücksichtigung von Datenschutzstandards zulässig und damit rechtlich kompliziert. Das Gros der DOOH-Anbieter befürchtet Shitstorms. Sensoren, die Bewegung erkennen, sind somit die absolute Ausnahme. Und zum anderen sind diese technisch noch nicht so ausgereift, dass sie wirklich zuverlässig ein ganzes Set an Gesten und Bewegungen erkennen können.

DOOH ist somit kein One-To-One-Medium, wie hier und da suggeriert wird. DOOH ist ein One-To-Many-Medium mit unterschiedlichen Möglichkeiten der Zielgruppen- oder Zielgruppensegmentaussteuerung. Alle Cases, die anderes behaupten, sind somit Einzelmeister. Sie zeigen technische Möglichkeiten auf, jedoch nicht die heute und in näherer Zukunft geltende Kommunikationsleistung des Kanals DOOH im Sinne eines Reichweitenmediums.

Mythos Nr. 2: DOOH ist wie Plakat, nur digital

Viele Werbungtreibende und deren Agenturen nutzen DOOH als digitale Adaption einer statischen Plakatkommunikation. Aus der Druckdatei des Papierplakats wird ein JPG für die digitale Ausspielung. Das Phänomen kennen wir schon aus der Welt, in der aus oft wenig plakativen Printanzeigen Plakatadaptionen mit zu viel Text, falsch platzierten Logos und zu kleinen Textelementen entstehen.

DOOH erfordert in der Kampagnenentwicklung mehr Aufmerksamkeit als Plakat, denn DOOH ist ein Bewegtbildmedium im Quer- und/oder Hochformat. In der Kampagnenkonzeption von Bewegtbildkampagnen, bei der heute bereits oft neben dem klassischen TV-Spot auch kurze Snippets für Social Media produziert werden, sollten daher auch Elemente für den gezielten Einsatz im öffentlichen Raum Berücksichtigung finden. Sonst sehen wir noch lange Powerpoint-ähnliche Animationen auf digitalen Flächen.

Mythos Nr. 3: DOOH ist digital, also Online

Naja, technisch vielleicht gerade so eben. Mit Blick auf die Wirkmechanismen funktioniert DOOH jedoch wie die klassische Außenwerbung – mit dem Vorteil der erhöhten Chance, durch Bewegtbild mehr Aufmerksamkeit zu generieren als ein geklebtes Papierplakat. Während Onlinemedien – egal ob stationär oder mobil – vom Konsumenten bewusst „lean forward“ genutzt werden, sind sämtliche Medien im öffentlichen Raum flüchtige Nebenbei-Medien und somit noch nicht mal „lean backward“. Und selbst dort, wo DOOH in Wartesituationen auf Nutzer trifft, funktioniert es nicht wie Online. Denn eine Wartesituation gibt es im Internet ja gar nicht. Noch ein Unterschied: DOOH lässt sich nicht skippen/wegklicken, sondern nur komplett ignorieren – wie jedes (!) andere Werbemedium auch.

Mythos Nr. 4: DOOH steckt noch in den Kinderschuhen

DOOH hat sicher noch einen Weg zum Erwachsenwerden vor sich. Von Kinderschuhen würde ich jedoch nicht mehr sprechen. DOOH ist längst zu jugendlichen Kräften gekommen. Im Markt ist mit der Markt-/Mediastudie Public & Private Screens des DMI Digital Media Institutes bereits eine große, belastbare Planungsstudie existent. Ströer mit seinen digitalen Angeboten sucht die Nähe zum sonstigen Markt und dessen Gremien, und selbst der Fachverband Außenwerbung, der sich historisch lange den klassischen Plakatmedien zugewandter fühlte, hat zuletzt 2019 gemeinsam mit dem Spezialmittler Outmaxx die „Trendanalyse DOOH“ veröffentlicht und sich der Kooperation mit den Anbietern digitaler Flächen geöffnet. Mit der DOOH Creative Challenge (DCC) hat DOOH in 2021 sogar einen eigenen, punkterelevanten Award bekommen.

Mythos Nr. 5: DOOH ist einfach (!) programmatisch buchbar

Wahrscheinlich der größte der fünf Mythen ist die Buchbarkeit im Rahmen programmatischer Kampagnen, also den datengetriebenen, auf Algorithmen basierenden Flächeneinkauf. Und ja, man kann bereits über 80 Prozent aller buchbaren DOOH-Werbemittelkontakte programmatisch einkaufen. Im Falle von DOOH entsteht jedoch ein Widerspruch. Dem Medium wird oft vorgeworfen, nicht EIN Medium zu sein, sondern VIELE, da man Werbeflächen an Flughäfen, in Apotheken und in Tankstellen nicht gleichsetzen kann – was auch richtig ist. Beim programmatischen Einkauf tut man (nicht nur bei DOOH) jedoch genau das und kauft Medialeistung in Zielgruppen ohne Umfeldkontext ein.

Letztlich verhält es sich mit DOOH nicht anders als mit klassischen Plakatangeboten auch. Es gibt eine Vielzahl an Werbeträgern in unterschiedlichen Formaten an einer Vielzahl von Touchpoints. Und da der Markt aus zahlreichen Marktteilnehmern besteht, die auch noch mit unterschiedlichen Einkaufsmodellen in der Vermarktung ihrer programmatischen Flächen agieren, ist die Buchung eben nicht „so einfach“, sondern erfordert eine intensive Beschäftigung mit der Materie. Und dann sind wir ganz schnell wieder beim Handwerk der Mediaplanung.

Der Beitrag erschien zuerst in HORIZONT am 24.6.2021.

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