Es gibt keinen besseren Indikator als Messen, um zukünftige Technologien und Branchenentwicklungen zu erspüren. Florian Rotberg von invidis consulting identifiziert in seinem Gastbeitrag die fünf Digital Signage- und DOOH-Trends, die die ISE 2023 bestimmten.
Als die ISE 2023, die zum zweiten Mal in Barcelona stattfand, am 3. Februar ihre Türen schloss, war die Bilanz hervorragend: Mit mehr als 58.000 Besuchern feierte die internationale Messe für ProAV und Digital Signage einen Rekord.
Ein großer Erfolg für die Veranstalter – doch auch ein wichtiges Startsignal für die gesamte Digital-Signage- und DOOH-Branche: Trotz aller Krisen ist der Markt bereit für mehr – mehr Geschäfte, aber auch mehr Innovation. Denn für den Erfolg braucht es Weiterentwicklung. Und nirgends kann man sich über neue Technologien und neue Möglichkeiten so geballt informieren wie auf einer Messe wie der ISE. Diese fünf Erkenntnisse hat invidis aus Barcelona mitgenommen:
1. Es gibt immer noch Innovationen
Auf den ersten Blick sind kaum noch neue Display-Entwicklungen zu erwarten. Größere Bildschirmdiagonalen sind technisch und logistisch nicht machbar, höhere Auflösung – Stichwort 8K – politisch aufgrund des Energieverbrauchs in der EU nicht gewollt – und im Alltag für den Großteil der Digital-Signage-Projekte auch nicht notwendig. LCD-Displays sind schon extrem dünn. Weiter warten muss die Branche auf lokal-dimmbare und deshalb energiesparsame LCD-Displays mit MicroLED-Backlights. Auch Ankündigungen zur LCD-Weiterentwicklung Quantum Dot fehlten auf der ISE.
Wirklich spannend und innovativ ist es zurzeit jenseits der Standard-Lösungen. Am weitesten sind vollfarbige E-Paper-Displays, die klassische LCD-Displays bei Digital-Poster-Anwendungen ersetzen können. Diese überzeugen nicht nur optisch, sondern auch im Hinblick auf ihre Energiebilanz, da sie nur beim Motivwechsel sehr geringe Energie benötigen.
Eine neue innovative Displaykategorie sind so genannte reflektive LCD-Displays. Die sehr dünnen reflektiven Screens kommen ohne ein energiehungriges Backlight aus, dem größten Energieverbraucher von LCD-Displays. Der Clou: Der Energieverbrauch für das auf der ISE ausgestellte 38,2-Zoll-Full-HD Display liegt bei nur 8 Watt. Im Gegensatz zu E-Paper können reflektive LCDs auch Bewegtbildcontent anzeigen und sind damit auch für DOOH-Anwendungen interessant. Wenn das Tageslicht nicht mehr ausreicht, sorgt ein vorderes Edge-Light für Sichtbarkeit. Neben DOOH sind insbesondere Transit-Anwendungen als ideale Einsatzszenarien denkbar, denn die Displays können per Solarzellen mit ausreichend Strom versorgt werden.
2. LED entwickelt sich zum Mainstream
LED ist von der ISE nicht mehr wegzudenken: kaum ein Visual-Solutions-Anbieter ohne LED-Wall auf dem Stand. Allgemein lässt sich beobachten, dass sich der Wettbewerb hin zu kleineren Pixelpitches verschiebt. LED ist kein Nischenprodukt mehr, sondern ist zunehmend eine LCD-Alternative für immer mehr Anwendungen.
Eine der Hürden für flächendeckende Rollouts war lange die aufwendige Installation. Ansätze, diesen Prozess zu vereinfachen, waren ein großes Thema auf der ISE 2023. Die All-in-One-Lösungen zielen genau darauf ab: Sie verwenden größere Module, zunehmend im Display-bekannten 16:9-Seitenverhältnis. Je nach Größe hängt man drei oder vier davon an eine Wandhalterung. Zwei Stunden Aufbau bei vier Händen scheint der neue Maßstab zu sein. Nicht nur für Indoor, sondern auch für Outdoor gibt es mittlerweile All-in-One-Lösungen.
3. Green Signage ist gekommen, um zu bleiben
Seitdem invidis das Thema Green Signage im Jahrbuch 2021 intensiv unter die Lupe genommen hat, ist viel passiert – sowohl was technische Lösungen als auch was die Wahrnehmung in der Industrie selbst und in der Öffentlichkeit angeht. Einschnitte wie die Energieeinsparverordnung waren der endgültige Weckruf. Große Auftraggeber verlangen immer mehr konkrete Belege, dass die eingesetzten Produkte möglichst umweltschonend sind, sowohl in der Herstellung als auch im Betrieb – letzteres ist aufgrund der steigenden Energiepreise stark in den Fokus gerückt.
Dass das Thema in der Industrie auf dem Schirm ist, zeigten die Stände der großen Display-Hersteller: Alle beschäftigten sich deutlich sichtbar in der einen oder anderen Form mit Nachhaltigkeit.
Nun machen Sonderflächen allein die Industrie nicht nachhaltiger. Doch erstens tragen sie das Bewusstsein für die Notwendigkeit von Green Signage weiter in die Industrie hinein. Zweitens wurden auf den Flächen und Ständen viele konkrete Projekte und Produkte vorgestellt, die jeder für sich einen kleinen Schritt auf dem großen Green-Signage-Weg bedeuten.
4. AI wird weiterhin die Schlagzeilen bestimmen
Kein Thema wird zurzeit in der Techwelt so heiß diskutiert wie Generative AI. AI-Plattformen generieren Texte, Kunstwerke, Musik und sogar menschliche Stimmen. Die Ergebnisse faszinieren und beängstigen gleichzeitig. Aber wie können ChatGPT & Co. Zusatznutzen für Digital Signage bringen? Konkrete Produkte gab es auf den ISE-Ständen noch nicht zu sehen, aber viele Software-Unternehmen haben das Potenzial erkannt und beschäftigen sich intensiv mit dem Thema.
Derzeit sind Lösungen wie ChatGPT noch eine „nette Spielerei“, um mediale Aufmerksamkeit zu bekommen – sie bergen aber das Potenzial, nicht nur die Schnittstelle zur Kundeninteraktion grundlegend zu verändern, sondern insbesondere auch Content-Erstellungsprozesse zu revolutionieren. Es bedarf wenig Fantasie für Ideen – auf B2B-Nutzer-Seite wie auch bei Digital-Signage-Agenturen –, wie Generative AI-Tools Geschäftsmodelle und Prozesse vereinfachen könnten. Ganz im Gegensatz zu einem anderen Hypethema wie zum Beispiel dem Metaverse, wo bis heute konkrete Geschäftsansätze fehlen.
5. Messe funktioniert immer noch
Nicht nur die Besucherzahlen stimmten, auch die Stimmung in den Messehallen war außergewöhnlich positiv. Die ISE 2023 hat bewiesen: Wenn Großveranstaltungen den Nerv ihrer Zielgruppe treffen, sind sie auch in einer Zeit von Zoom-Meetings und virtuellen Räumen immer noch höchst relevant. Nichts geht über die Face-to-Face-Begegnung.
Über den Autor:
Florian Rotberg ist Gründer und Inhaber von invidis consulting, einer weltweit tätigen Spezialberatung für Digital Signage und Digital Out of Home. Zudem begleiten er und sein Team seit 15 Jahren die Branche redaktionell mit einem täglichen Newsletter und dem invidis Jahrbuch.