Studie Public & Private Screens: „Es gibt hier ein Massenmedium“

Ein Interview mit Dr. Anna Maria Deisenberg über die Ergebnisse der Studie „Public & Private Screens 2016/2017″. Die Marktforscherin ist maßgeblich verantwortlich für Design, Durchführung und Analyse der Untersuchung zum Digitalen Out-of-Home-Markt.

Alle DOOH-Medien zusammengerechnet erreichen in Deutschland eine halbe Milliarde Brutto-Kontakte in der Woche. Das klingt gewaltig. Aber was heißt das wirklich?

Anna Maria Deisenberg.
Anna Maria Deisenberg

Deisenberg: Dass DOOH im Schnitt pro Tag über 66,8 Mio. Kontakte macht. In der Minute sind das rund 46.000 Kontakte brutto oder über 4.000 Kontakte netto. Jede Woche werden 58,8 Prozent der Bevölkerung ab 14 Jahren erreicht und das mit gerade mal 111.000 digitalen OOH-Screens in Deutschland. Das ist schon gewaltig, was diese Screens an Leistung zusammenbringen.

Diese Reichweite steigt jede Woche weiter an: Innerhalb von drei Monaten kommt fast jeder Erwachsene mit digitalen OOH-Medien in Kontakt. Welche Zielgruppen erreichen Sie besonders einfach?

Deisenberg: Das sind natürlich die mobilen Zielgruppen, die regelmäßig rauskommen aus ihren vier Wänden: Also Berufstätige, junge Zielgruppen auf dem Weg zum Ausbildungsplatz oder zur Uni. Die sind dann auch in der Freizeit öfter unterwegs und werden dann zum Beispiel im Kino gut erreicht.

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Raststätte Peppenhoven Ost. Foto: Tank & Rast.

Gibt es auch Personen, die mit digitalen Außenwerbeflächen so gut wie gar nicht in Kontakt kommen?

Deisenberg: Das sind eher die älteren Menschen, die nicht mehr berufstätig sind, oder Frauen mit kleinen Kindern, die aktuell nicht berufstätig sind und daher nicht mehr so regelmäßig in der Stadt unterwegs sind. Die Gruppen erreicht man aber immer noch gut im LEH.

Der Point of Sale ist der mit Abstand größte Touchpoint für DOOH. Woran liegts? Weil dort vergleichsweise viele Menschen sind? Oder weil in LEH, Shoppingcentern und Elektronikmärkten einfach überdurchschnittlich viele Screens installiert sind?

Deisenberg: Das ist so eine Mischung aus beidem. LEH-Screens bekommen viel Kontakte, weil dort viele Menschen innerhalb einer Woche häufig und dann auch noch wiederholt herumlaufen. Das ist in Shopping-Malls ähnlich, zumal sie dort ja nicht nur Beauty- und Fashion-Produkte sondern auch sehr häufig Lebensmittel einkaufen können, also wieder viele, häufige Besucher einsammeln. Elektronikmärkte haben jetzt sicher nicht so viele Besucher, die mehrmals in der Woche vorbeikommen, was die Kontaktchance mit DOOH erhöhen würde. Sie punkten mit deutlich mehr Screens pro Standort. LEH kommt pro Standort im Schnitt auf vier Screens, ein Elektronikmarkt auf 107.

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Video Mall in München. Foto: Ströer

Welche Touchpoints könnten denn deutlich mehr digitale Screens vertragen? An Universitäten ist die Anzahl der Screens beispielsweise recht gering.

Deisenberg: Man wird gerade an Universitäten limitiert sein, was ein deutliches Mehr an Screens angeht. Für Hörsäle wird man wohl kaum Genehmigungen bekommen. Es kommt auch nicht unbedingt darauf an, möglichst viele Screens zu installieren, sondern die optimal zu platzieren. Einige wenige gut platzierte Screens, zum Beispiel in der Mensa, können ganz ordentlich Kontakte einsammeln, so wie alle Bildschirme, die auf Menschen in Wartesituationen treffen: beim ÖPNV, im Gate am Flughafen oder im Wartezimmer beim Arzt. Denkbar wären an den Unis vielleicht auch Screens an den Waschbecken in den Toiletten.

Ihre Studie zeigt: Menschen mit hohem Einkommen erreicht man in Taxis oder an Flughäfen – das wird niemand hinterfragen. Offenbar haben die Gutverdiener aber auch eine Schwäche für Fast-Food-Restaurants. Gibt es dafür eine Erklärung?

Deisenberg: Es muss ja nicht immer Kaviar sein. Und Entscheider sind beruflich viel unterwegs – mit einem eng getaktetem Terminplan. Da kehrt man dann gern auch im Fast Food-Lokal ein, weil es schnell gehen muss. Und fast die Hälfte der Entscheider hat Kinder unter 14 Jahren. Da wird dann der Entscheider-Papa von seinen Kindern zum Burger gebeten.

Ein anderes Ergebnis ist: Entscheider kaufen offenbar gerne bei real ein…

Deisenberg: Ja, und das eher am Samstag als unter der Woche. Das sind dann die Groß- und Vorratseinkäufe für die Familie, wo dann der Entscheider-Papa samt dem größeren Auto gebraucht wird. Den täglichen Bedarf erledigt dann die haushaltführende Frau des Entscheiders in anderen Supermärkten.

Gibt es typische Entscheider-Touchpoints? 

Munich Airport, Terminal 2. Foto: FMG
Munich Airport, Terminal 2. Foto: FMG

Deisenberg: Flughäfen, Montag bis Freitag: Zwischen 6 und 9 Uhr findet man da fast die Hälfte der Entscheider, die in den letzten zwölf Monaten geflogen sind. An den Raststätten an der Autobahn sind Entscheider ebenfalls überproportional häufig zu finden, und das zu mehr oder weniger allen Tageszeiten gleichmäßig stark. Und ab 18 Uhr sind sie dann im Fitnessstudio, wahrscheinlich um die Burger abzutrainieren.

Welche Ergebnisse haben Sie denn persönlich überrascht? Haben Sie ein Lieblings-Chart?

Deisenberg: Ähem, ja! Wir haben ja bei 1.500 Smartphone-Usern 14 Tage lang ihr mobiles Internetverhalten getrackt und gleichzeitig per GPS-Tracking gemessen, wo sie gerade sind. Wir können also jetzt sagen, was Menschen im mobilen Internet tun, wenn sie bei der Arbeit oder zuhause, beim Einkaufen im Supermarkt oder in der U-Bahn sind. Nahezu alle Panel-Teilnehmer haben in dieser Zeit irgendwas auf sozialen Netzwerken gemacht oder Mails verschickt, aber sieben Prozent waren auch auf Sites, die man als nicht jugendfrei bezeichnen könnte. Die Hälfte davon macht das dann zuhause, aber immerhin 19 Prozent auch vom Arbeitsplatz aus. Und dann gibt es rund ein Drittel dieser Gruppe, die das irgendwo von unterwegs aus macht. Das sind nicht riesig viele Leute, aber irgendwie frage ich mich jetzt jedes Mal an der Supermarktkasse, was mein Nachbar in der Warteschlange gerade auf seinem Mobile anschaut.

Kurz zusammengefasst: Welche Erkenntnisse sollten Mediaplaner und Werbungtreibende für ihre tägliche Arbeit aus den Ergebnissen ableiten?

Deisenberg: Dass es hier ein Massenmedium gibt – DOOH erreicht fast 60 Prozent der Gesamtbevölkerung – über das man aber gleichzeitig mit hochkarätigen und mobilen Zielgruppen, wie etwa mit Entscheidern am Flughafen oder an der Autobahn, kommunizieren kann. Dass man hier ein Massenmedium hat, mit dem man Zielgruppen am Point of Relevance erreichen kann, wie zum Beispiel die Haushaltführenden im Supermarkt oder die Tekkies im Elektronikmarkt. Oder dass man hier mit einem Massenmedium junge Zielgruppen erreichen kann, zum Beispiel jeden Tag auf dem Weg zur Schule oder zum Ausbildungsplatz, in Bus und U-Bahn zu Zeiten, in denen sie nicht durch TV erreichbar sind. Und an ihren Smartphones haben 30 Prozent der 14-29jährigen Adblocker aktiviert, das heißt, sie sind hier nicht durch Werbung erreichbar. Was dann noch dazu kommt: Man hat hier ein Massenmedium, das nicht disruptiv ist: Man kann Werbung nicht einfach wegzappen oder wegblättern. Und Werbung stört hier nicht. In den Wartesituationen an den DOOH-Touchpoints ist es durchaus auch willkommene Ablenkung.