Thomas Koch: „Wir müssen die Komplexität reduzieren“

Mr. Media Thomas Koch über die Vergleichbarkeit der einzelnen Media-Gattungen und warum DOOH künftig wieder an Fahrt aufnimmt.

Der Vorstoß hat in der Branche für Aufsehen gesorgt: Media Urgestein Thomas  Koch hat eine neue Methode der Intermediavergleichbarkeit entwickelt. Die Idee: Mr. Media misst die Wirkungsvoraussetzungen, die jedes Medium liefert. Das erfolgt zweistufig: Im ersten Schritt wird ermittelt, wie viel des eingesetzten Geldes auch tatsächlich bei den Werbeträgern ankommt und im zweiten Schritt wie viel davon wiederum direkt die Zielgruppe erreichen. Ein Weg, der so simpel ist, dass bisher offenbar niemand darauf gekommen sei, wie Thomas Koch selbst schlussfolgert. Da lohnt also mal die Nachfrage.

Thomas, was war die Initialzündung für Deinen Intermediavergleich?

Seit Jahren schwelt bekanntlich die Debatte um eine bessere Vergleichbarkeit der Mediengattungen und einheitliche Standards – maßgeblich und völlig zurecht forciert von den Werbungtreibenden. Kennzeichnend dafür ist etwa der OWM-Forderungskatalog für eine verlässliche und transparente Währung für Videowerbung.

Passiert ist allerdings eher wenig…

Exakt. Das Thema der gemeinsamen Standards in der Videowerbung beispielsweise diskutieren wir ja schon seit über fünf Jahren, ohne konkretes Ergebnis. Um so wichtiger ist es jetzt, einen grundsätzlichen Beitrag zu den Wirkungsmechanismen der Gattungen zu leisten. Das bisherige Problem ist ja, dass wir so etwas immer auf Kampagnenebene diskutieren. Dabei lassen wir außer acht, dass rund 60 Prozent der Wirkung von der Kreation abhängen – und damit also unabhängig vom Werbeträger sind. Bisher ist es nie gelungen, den Wirkungsbeitrag der Kreation kanalübergreifend und allgemeingültig zu beziffern – warum blenden wir das nicht im ersten Schritt aus?

Was ist also Dein Vorschlag?

Wir müssen im ersten Schritt die Komplexität reduzieren und die tatsächlichen Hürden benennen und beziffern, bis das jeweilige Werbemittel tatsächlich vom Verbraucher wahrgenommen wird. Vor allem bei der Display-Werbung trifft bekanntlich ja nur ein Bruchteil des Budgets tatsächlich die Zielgruppe. Mein Modell belegt das: Nur zehn Prozent des eingesetzten Etats sind hier tatsächlich zielgruppenwirksam. Der Wirkungsbeitrag von Facebook-Werbung ist kaum besser. Hier sind nur 26 Prozent des eingesetzten Etats tatsächlich wirksam.

Wie war die Reaktion im Markt darauf?

Erwartungsgemäß – Zuspruch von den Werbungtreibenden. Keine Reaktionen von den Medien – außer von den erfreuten Siegern Kino und (D)OOH. Das ist schade, weil das einmal mehr offen legt, wie die Interessen von Kunden und Medien hier diametral entgegen laufen. Die einen fordern eine Vergleichbarkeit, die anderen lehnen dies ab. Aber alle sprechen ganz selbstverständlich von einem gemeinsamen Markt. Das passt nicht zusammen.

Reden wir über DOOH…

Der Weg der DOOH-Werbung zum Konsumenten ist vergleichsweise linear. Digitale Außenwerbung hat im intermedialen Vergleich mit am wenigsten Hürden zu überwinden. Bei einem eingesetzten Budget von einer Million Euro sind 940.000 Euro medienwirksam und 884.000 Euro tatsächlich zielgruppenwirksam. Ein phantastischer Wert. Print tut sich da beispielsweise schwerer. Nutzer lesen die Titel oftmals nicht von vorn bis hinten durch, zudem erschweren Auflagenschwankungen die Planung.

Welche Schlussfolgerung können Media-Experten aus Deiner Analyse ziehen?

Ich bin davon überzeugt, dass die meisten Werbungtreibenden einen Großteil ihrer Online-Spendings streichen könnten, ohne dass sich die Wirkung wesentlich verändert. Wir werden das ja jetzt auch geradezu live miterleben, wenn zahlreiche Werbungtreibende ihre Budgets bei Facebook abziehen, ob ihnen hier tatsächlich ein Schaden entsteht. Meine Beobachtung ist: Jahrelang haben Marketingleiter immer wieder betont, ihre Digital-Budgets zu steigern. Doch das wird nun zunehmend kritisch hinterfragt.

Wie geht es jetzt weiter? Wer kommt am besten aus der Krise?

Angesichts der zunehmenden Lockerungen wollen die Menschen natürlich wieder raus. Für die gesamte Außenwerbung sind das erfreuliche Vorzeichen. Speziell im Bereich DOOH bin ich deshalb überzeugt, dass der rasante Aufstieg, den wir ja bis Anfang des Jahres hatten, sich in den kommenden Monaten fortsetzen wird. Und klar ist natürlich auch: Je mehr Menschen in die Kinos gehen, desto stärker wird sicher auch die Kinowerbung profitieren.

Für DOOH eigentlich – den Umständen entsprechend – sehr gute Voraussetzungen.

Absolut! Wichtig wäre allerdings, dass die Mediaagenturen endlich mal das Medium verstünden.

Tun sie das nicht?

Viele glauben ja immer noch, das sei einfach ein neuer Kanal für die Außenwebung. Aber DOOH ist natürlich viel mehr – die Gattung erschließt einen neuen Markt. Schließlich befinden sich viele digitale Screens dort, wo es früher überhaupt keine Werbung gab. Im Supermarkt oder auch im Shoppingcenter. Gerade in Verbindung mit dem Smartphone stoßen wir hier die Tür zu einer völlig neuen Dimension der Werbung auf.

Siehe auch:
Thomas Koch: Die Magie von Media

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