“Wir müssen Know-how in den Markt tragen”

Der Abschluss unserer Fragereihe an die DOOH-Visionär:innen mit Florian Rotberg (invidis consulting) und Claudia Zayer (Goldbach).

Marktstandards, eine einheitliche Währung, die programmatische Ausspielung von Kampagnen – alles zentrale Punkte, die die Weiterentwicklung der digitalen Außenwerbung in den kommenden Jahren maßgeblich prägen werden. Doch das Fundament, auf dem der künftige Erfolg von DOOH basiert, muss breiter sein. Den ehrenvollen Titel verlieh die Werben & Verkaufen den beiden – gemeinsam mit acht anderen, die wir an dieser Stelle bereits vorgestellt hatten. Rotberg meint: DOOH hat gesellschaftliche Relevanz, weil es wichtige Informationen öffentlich machen kann – wie etwa bei der Probewarnung am 8. Dezember (Foto: Ströer). Zudem kann DOOH einen Beitrag zu Nachhaltigkeit leisten und als Träger von Kunst wahrgenommen werden. Doch davor sind einige Hürden zu meistern: Die Gattung muss die öffentliche Meinung für sich gewinnen. Und es muss auf Business-Ebene mehr Know-how in den Markt getragen werden. Claudia Zayer sieht hier insbesondere die Hochschulen und Universitäten in der Pflicht.

Foto von Florian Rotberg auf einem Kongress
Florian Rotberg, invidis

Was macht für Dich die Faszination des Mediums aus?

Rotberg: DOOH ist so viel mehr als nur eine Werbemedium. Kampagnen lassen sich zeitlich und örtlich automatisch ausspielen, DOOH-Screens können neben Werbung auch Nachrichten und relevante öffentliche Informationen anzeigen, sie fördern die öffentliche Sicherheit mit Beleuchtung und als Warnplattform bei Notfällen. Jenseits von 16:9 oder 4:3 können DOOH-Werbeanlagen als Mediafassade oder architektonisch anspruchsvoller Solitär dem öffentlichen Raum eine neue Nutzung ermöglichen. Man denke an Times Square, Piccadilly Circus oder viele asiatische Großstädte. Last but not least kann DOOH das dynamische Frontend für Green-City-Initiativen sein, denn Nachhaltigkeitsmaßnahmen brauchen ein öffentliches Frontend.

Zayer: DOOH hat in den letzten Jahren wahnsinnig große Fortschritte in Hinblick auf die planerischen Möglichkeiten gemacht. Treiber war hier vor allem die Anbindung an programmatische Infrastrukturen. Es gibt wenig andere Medien, die so flexibel bespielbar sind, visuell die Blicke auf sich ziehen und dabei noch mit Reichweite glänzen können. Diesen Prozess zu begleiten und ein Medium erwachsen werden zu sehen, macht Spaß und bringt gute Laune.

Was ist Dein persönlich größter DOOH-Erfolg?

Rotberg: invidis ist weder DOOH-Mediaowner noch Agentur oder Werbetreibende. Wir bringen DOOH aber seit 2006 Sichtbarkeit, berichten über neuste Kampagnen und Technologien und liefern Transparenz. Und invidis präsentiert die weltweite Faszination und den Nutzen von DOOH anhand von globalen Projekten. Wir tragen dazu bei, das enorme Potential von DOOH zu fördern, ohne die Herausforderungen zu verschweigen. Ob Nachhaltigkeit, Datenschutz oder Stadtbild – DOOH ist im Alltag sehr präsent und polarisiert. invidis berichtet, bewertet und klärt auf.

Zayer: Wenn wir im kommenden Jahr eine einheitliche Währung über die neu gegründete Interessenvertretung IDOOH in den Markt bringen, ist das ein Meilenstein. Wir können endlich Vermarkter-übergreifende Leistungswerte ausweisen und mit Zahlen untermauern, was wir seit Jahren wissen: Die Menschen sind mobil unterwegs, und DOOH baut in kürzester Zeit höchste Reichweiten in Zielgruppen auf, die über andere Medien immer schwieriger zu erreichen sind.

Foto von Claudia Zayer, Goldbach
Claudia Zayer, Goldbach

Welche Herausforderung muss DOOH jetzt nehmen?

Rotberg: Die gegenwärtige Energiekrise ist eine ernste Herausforderung – nicht nur, aber insbesondere auch für DOOH. Displays und LED sind nun einfach mal sichtbar, und somit ist das Medium mehr im Kreuzfeuer als Social Media, Online, Video & Co. – deren Rechenzentren kaum sichtbar enorme Mengen an Energie verbrauchen. Außerdem müssen Kreative und Werbetreibende noch besser informiert und begeistert werden, welches kreative Potential hinter datengetriebenen DOOH-Kampagnen steht. Kein anderes Medium interagiert mit der räumlichen Umgebung so sehr wie Out-of-Home. Die Herzen und den Verstand in der öffentlichen Meinung zu gewinnen, ist eine langfristige Aufgabe für DOOH-Anbieter und -Verbände. Die Sorge um Lichtverschmutzung, die Diskussionen um eine mögliche Verschandlung des Stadtbilds oder gesellschaftliche Werbeverbotsdiskussionen – aufgrund der hohen Sichtbarkeit und allgemeiner Digital-Skepsis gilt DOOH einigen in der Gesellschaft als Sündenbock. Aufklärung und Verständnis für die Sorgen sind notwendig.

Zayer: Der Markt ist stark gewachsen, und es ist zum Teil sehr komplex geworden, eine gute Planung zu erstellen. Wir müssen auf der einen Seite die Komplexität wieder etwas reduzieren, der Weg dahin führt über Marktstandards. Auf der anderen Seite müssen wir deutlich mehr tun, um Know-how in den Markt zu tragen und mehr Schulungen auf allen Levels anbieten. Hier sind die Verbände (FAW / IDOOH) gefragt, aber auch Hochschulen und Universitäten beschäftigen sich noch nicht ausreichend mit dem Thema. Ein weiterer Punkt ist sicherlich auch der Wirkungsnachweis für eine DOOH-Kampagne. Welche KPIs beschreiben den Kampagnenerfolg? Wie lässt er sich messen, und wie können wir unseren Beitrag zum Kampagnenerfolg sichtbar machen? Der letzte Klick findet nun mal nicht auf unseren Screens statt, aber wir leisten einen wichtigen Beitrag im Mediamix, damit dieser Klick überhaupt passiert.

Wo steht DOOH in fünf Jahren?

Rotberg: DOOH wird sich auch in Westeuropa als eine der führenden Mediengattungen durchsetzen, als besonders effizientes, ausgesprochen wirkungsvolles und äußerst anpassungsfähiges Medium. Aber DOOH wird in fünf Jahren auch als Plattform für Kunst im öffentlichen Raum und öffentliche Sicherheit etabliert sein. Meine Vision sind architektonisch anspruchsvolle Werbeträger, die eine markante Rolle im Stadtbild übernehmen und als städtebaulicher Gewinn wahrgenommen werden. Natürlich voll programmatisch und so nachhaltig wie möglich.

Zayer: In meiner idealen Welt wird in fünf Jahren ein Großteil der Kampagnen programmatisch abgewickelt werden. DOOH wird crossmedial in Kombination mit anderen Bewegtbildmedien geplant und eingekauft. Die Grenzen zwischen den einzelnen Gattungen in Bezug auf Planungsunits werden verschwimmen. Das Produkt und das Ziel des Werbetreibenden stehen im Fokus – ebenso die Ansprache der relevanten Zielgruppe. Ich kaufe also keine Mediengattung ein, sondern ich bespiele Screens dort, wo sich meine Zielgruppe zum Zeitpunkt X aufhält: zu Hause, auf der Arbeit oder draußen im täglichen Leben beim Shoppen und Sporteln. Und ganz wichtig: Die Kreation passt sich der individuellen Wahrnehmungssituation an und ist auf das Umfeld abgestimmt. Technisch ist das alles heute schon möglich, und ich freue mich über jede Kampagne, die die ganze Klaviatur der Möglichkeiten nutzt und mich über den Tag begleitet.

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